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Das Werk des Monats - Sofie Vangor - Alle sind Riesen

 

Alle sind Riesen 
Sofie Vangor (Brüssel, 1981)
Haut eines Riesen 81, 2020
Druck auf Filz
186 x 70 cm
Inv. BA.CED.23b.2021.007806
Kauf von der Künstlerin, durch die Stadt Lüttich im Jahr 2021.

Graveurin, Malerin, Tänzerin, aber auch Mutter und engagierte Frau: Sofie Vangor zieht alle diese Häute gleichzeitig an. In einer Gesellschaft, die "zu eng, strukturiert und strukturierend" ist, versucht sie zu entkommen und aus den "Schubladen" auszubrechen, die ihr implizit zugewiesen werden.
 
Sofie Vangor (Brüssel, 1981) ist eine multidisziplinäre Künstlerin und hat ein Diplom in Monumentalmalerei und Gravur. Diese Disziplinen unterrichtet sie seit 2010 an der Académie royale des Beaux-Arts de la Ville de Liège (Königliche Akademie für Schöne Künste der Stadt Lüttich).

Seit ihren Anfängen investiert Sofie Vangor instinktiv und engagiert in ihre Arbeit. Zunächst autobiografisch, verkörpert ihr Werk heute einen universellen Charakter, indem sie die menschliche Komplexität hinterfragt: Wer sind wir?, woher kommen wir?, welche Rolle übernehmen wir?, welche Entscheidungen treffen wir für unser Leben? Unabhängig von ihrer Form ist ihr roter Faden das Individuum und sein Gedächtnis im Körper. Seine künstlerische Sprache vermischt gleichzeitig Gravur, Fotografie, Malerei, Collage, Poesie oder Krump. Diese multidisziplinäre Suche bringt die Künstlerin dazu, immer wieder neue Medien auszuprobieren.

Seit acht Jahren ist die vergängliche Tätowierung ein fester Bestandteil ihrer künstlerischen Praxis. Mit diesem Medium kombiniert sie Schreiben, Zeichnen und Performance. Die Idee, den Abdruck auf der Haut zu nutzen, entstand aus einem persönlichen Ereignis heraus: die Identifizierung eines verstorbenen Angehörigen durch seine Tätowierung. Seit den 2010er Jahren in zahlreichen Performances präsent, setzt sich die Tätowierung in ihrem Projekt Je veux et j'exige (2018) durch. Die Tätowierung ist nicht nur eine Übertragung auf die Haut, sondern schafft ein echtes Vertrauensverhältnis zwischen dem Künstler und dem Modell und/oder seinem Publikum. Sofie Vangor versteht sich in erster Linie als partizipatives Projekt und lässt ihre Modelle zu Wort kommen, die sie aufgrund ihrer Erfahrungen und ihrer Widerstandsfähigkeit akribisch auswählt. Die ursprüngliche Botschaft [Ich will und ich fordere], die auf ihre nackten Körper gedruckt wird, wird von den Modellen selbst personalisiert.

Die von Sofie Vangor entworfenen Tattoos sind Zeichen der Zusammengehörigkeit und Zugehörigkeit oder charakteristische Merkmale, sie rufen aber auch zum Protest auf. In Gummi oder Linoleum gräbt der Hohlmeißel Worte oder Symbole, die die Codes herausfordern. Sich nicht einschließen, nicht in Schubladen stecken bleiben - das gleiche Mantra kehrt immer wieder. Die poetische oder tänzerische Performance wird dann zu einer Selbstverständlichkeit, um dieses Sprechen zu vervollständigen, das in der Tinte und auf der Haut dieser Körper flüstert.
Peau de Géante 81 ist Teil einer Serie von auf Filz gedruckten Silhouetten mit dem Titel Géants (Riesen), die zwischen 2019 und 2020 entstehen. Die Géants von Sofie Vangor wurden im März 2020 in der Galerie Centrale (rue en Bois, Lüttich) ausgestellt, kurz vor der Gesundheitskrise bei Covid-19. Das Werk wurde im darauffolgenden Jahr in die Sammlungen des Musée des Beaux-Arts aufgenommen und ergänzte die partizipative Performance Nous... cet autre, die anlässlich der Eröffnung der Triennale de Gravure de Liège (La Boverie, September 2021) geleitet und geschaffen wurde. Diese partizipative Performance, die Tanz, Poesie und Tätowierung vereinte, bot eine Reflexion über die Reproduzierbarkeit des gedruckten Bildes, den Begriff des Einmaligen und des Vielfachen, des Sichtbaren und des Unsichtbaren.

Ein Riese zu sein ist eine Metapher für die Schwierigkeiten, die jeder Mensch in seinem Leben hat und bewältigt. "Der Riese soll die unsichtbare Seite des Lebens aufgreifen, die uns die Gesellschaft derzeit nicht zähmen und entwickeln lässt", erklärt die Künstlerin. Inspiriert von den Frauen um sie herum und der Frau, die sie geworden ist, greift Sofie Vangor in ihrer Arbeit häufig auf das Bild der Frau zurück. Die Haut der Riesin, die an den Zimelien von La Boverie zu sehen ist, ist die einer knienden Frau, die von der vergänglichen Tätowierung gezeichnet ist, die ihre Geschichte, aber auch ihre Widerstandsfähigkeit symbolisiert. Auch wenn sie vergänglich ist, wird sie die Zeichen in Erinnerung behalten. Die geistige Größe dieser Frau strahlt paradoxerweise aus ihrer zurückgezogenen Position heraus. Der als Druckmedium verwendete Filz erinnert an eine weiche, zerbrechliche Haut. Dieser bedruckte und tätowierte Körper kann aufgehängt, aufgehängt, gefaltet oder auf den Boden gelegt werden.

Die antikonformistische, großzügige und optimistische Sofie Vangor - mit ihrem überbordenden Gigantismus - sprengt die Grenzen, die man ihr aufzwingen will, seien sie gesellschaftlicher oder künstlerischer Art. Die Künstlerin versucht, die Kunst und ihre Zugänglichkeit zu entweihen, sie bricht die Regeln der traditionellen Druckgrafik und mischt mit Begeisterung die Disziplinen, um symbolische, sensible und kraftvolle Werke zu schaffen.   

Am 29. Januar ist es soweit: Gemeinsam mit zwei weiteren Frauen aus der Lütticher Kunstwelt wird Sofie Vangor bei einem Brunch zum Teilen ihre Favoriten aus der Ausstellung Collectionneuses Rothschild mit Ihnen teilen.

Fanny Moens,  
Konservatorin
Museum der Schönen Künste Lüttich - La Boverie